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Der Kakadu National Park - ein kulturelles und landschaftliches Highlight

Und weiter geht es mit unserem Roadtrip durch Australien. Unser nächster Stopp führt uns zum berühmten Kakadu National Park. Und darauf freuen wir uns besonders. Dieser ist bekannt für seine riesigen Wasserfälle, seine beeindruckenden Felsformationen und uralten Felsenmalereien. Der Park beherbergt kulturelle und landschaftliche Schätze, die offiziell Bestandteil des Kakadu Weltkulturerbes sind. Was den Park für uns so besonders macht ist, dass die traditionellen Besitzer weiterhin hier leben und sich um das Land kümmern. Es handelt sich dabei um den aboriginal Stamm der Bininj Mungguy, die hier seit unfassbaren 50‘000 Jahren leben. Der Vorstand, welcher für das Management des Parkes zuständig ist, besteht mehrheitlich aus Aborigines. Er vertritt somit die traditionellen Eigentümer. Die Bedeutung dieser Aufteilung ist nicht zu unterschätzen. Vor allem wenn es um die international gefragten Uranvorkommen geht. Der Vorstand des Parks wehrt sich gegen den gefährlichen Atom- und Uranabbau und die gierige Wirtschaft. Das Land ist für die Aborigines ein unersetzbarer Schatz und kann nicht durch Geld gekauft werden. Im 2011 wurde durch erfolgreiches Lobbying der Aborigines ein grosses Stück Land mit potenziellen Uranressourcen in das Kakadu Weltkulturerbe aufgenommen. Das Land ist heute Teil des Kakadu-Nationalparks und schützt seine bedeutenden kulturellen und historischen Werte für zukünftige Generationen.

Nach rund 3 Stunden Autofahrt erreichen wir Jabiru, den Hauptort des Kakadu National Parks. Hier findet man ein paar Restaurants, eine Tankstelle und es stehen einem drei verschiedene Unterkünfte zur Auswahl. Wir beziehen ein Doppelzimmer mit geteilter Küche und Bad. Wir sind die einzigen Gäste in unserem Abteil, so dass wir alles privat benutzen dürfen. Das ist doch mal was! Zudem begrüssen uns bei der Ankunft auch gleich ein paar Kakadus Vögel.

Das Thermometer klettert erstmals über 36 Grad Celsius, weshalb wir das Nachmittagsprogramm ein wenig ändern und uns erstmal ein wenig im klimatisierten Zimmer abkühlen. Am späteren Nachmittag besuchen wir das Bowali Visitor Center. Hier erfahren wir, dass wir einen Park Pass für 25 AUD pro Person kaufen müssen. Dieser ist 7 Tage lang gültig und beinhaltet auch geführte Touren und Aktivitäten. Wir erhalten zudem ein paar tolle Tipps für Wanderungen usw. Kurz vor dem Sonnenuntergang machen wir uns also auf den Weg zur ersten Rock Art Site, also zur ersten Stelle mit Felsmalereien. Der Name des Platzes ist Burrungkuy. Zu unserer Verwunderung ist nur ein einziges Auto auf dem Parkplatz. Komisch. Aber wir freuen uns immer darüber, wenn nicht viel los ist. Und tatsächlich, wir begegnen nur drei Touristen. Und die machen sich gerade auf den Heimweg. Wir können den Ort also ganz für uns alleine geniessen.  

 

Ein Weg führt uns allmählich zu einer hohen Felswand. Hinter der Wand kommt eine grössere Fläche zum Vorschein, die durch den Felsen vor Wind und Regen geschützt ist. Hier erblicken wir die ersten Malereien. Und wir sind überwältigt, wie viele davon wir vorfinden. Die meisten sind sehr gut erhalten. Einfach faszinierend. Vor allem wenn man bedenkt, wie alt diese Malereien sind. Das Alter der Zeichnungen liegt zwischen 100 und unglaublichen 23‘000 Jahren. Wenige Wissenschaftler datieren einzelne Zeichnungen sogar auf 50‘000 Jahre. Somit haben hier schon vor mindestens 20‘000 Jahren Menschen gelebt. Die sind über dieselben Steine gewandert, wie wir heute. Hatten denselben Ausblick auf die Umgebung wie wir. Diese Vorstellung ist beeindruckend. Es ist ein ganz spezielles Erlebnis. Der Ort strahlt zudem eine gewisse Ruhe aus. Man ist mitten in der Natur, keine Zivilisation in Sicht. Keine Menschen in Sicht- und Hörweite. Wir beobachten den Sonnenuntergang vom Gunwarddehwardde Aussichtspunkt aus und lauschen dem Vogelgezwitscher zu. Einfach wunderschön!


Arnhem Cultural Tour

Wir sind bereit für die Arnhem Tour!
Wir sind bereit für die Arnhem Tour!

 

Am nächsten Tag schliessen wir uns einer geführten Tour ins Arnhem Land an. Die ganztägige Tour heisst „Arnhem Cultural Tour“ und kostet 273 AUD pro Person, resp. rund 185 CHF (https://www.kakaduculturaltours.com.au/). Das Arnhem Land darf nicht ohne vorherige Genehmigung durch das Northern Territory Council besucht werden. Alternativ kann man, wie wir, eine organisierte Tour durch die Region buchen. Rund 12‘000 Aborigines bewohnen das Arnhem Land. Zudem ist das Land die Heimat des Musikinstruments Didgeridoo. Gemeinsam mit 7 anderen Touristen besichtigen wir zwei Felsenmalerei Orte, ein wunderschöner Billabong (Wasserloch in einem Flussarm) und die Injalak Kunstmanufaktur der Yolngu Aborigines.

 

Man kann sich kaum vorstellen, dass ein grosser Teil des Kakadu National Parks und des Arnhem Lands während der Regenzeit unter Wasser ist. Dies ist aber der Grund, wieso die Ureinwohner hinter den erhöhten Felsen Schutz gesucht haben. Teilweise sind die Steinoberflächen wie abgeschliffen glatt, wenn man mit der Hand darüber fährt. Das folgt daraus, dass auf diesem Stein schon seit Jahrtausenden Aborigines gesessen haben. Auch heute noch wird ein Teil des Parks während der Regenzeit geschlossen, deshalb stattet man dem Kakadu National Park am besten zwischen April und September einen Besuch ab.

 

Es war ein toller Ausflug und wir haben viel über die Aborigines, deren Leben und die Felsmalereien gelernt. Dies haben wir unserer tollen Reiseführerin zu verdanken. Am Ende des Blogs widmen wir uns noch dem Thema Aboriginal People.


Am folgenden Tag fahren wir zur Ubirr Rock Art Site im Kakadu National Park. Hier erwarten uns weitere, fantastische Felsmalereien und ein toller Ausblick auf die umliegende Landschaft. Wir verbringen ganze zwei Stunden vor Ort. Ein schön gestalteter Weg führt uns zu den einzelnen Felsmalerei-Stellen und schliesslich auf eine Felserhöhung. Wir bereuen es, dass wir nicht früher aufgebrochen sind. Das Thermometer zeigt wieder 35 Grad Celsius an und die Hitze ist fast unerträglich. Obwohl wir viel Wasser zu uns genommen haben, leiden wir nach der kurzen Wanderung beide an Kopfweh.

Bevor wir uns aber am Nachmittag in unserem (glücklicherweise) gekühlten Zimmer von der Hitze erholen, statten wir dem East Alligator River einen kurzen Besuch ab. Dieser liegt gleich neben der Ubirr Rock Art Site und ist definitiv einen Besuch wert. Spätestens jetzt wissen wir, dass im Norden Australiens effektiv Salzwasser-Krokodile leben. Wir haben gestern von unserer Reiseführerin gelernt, dass wir mindestens einen 3 Meter Abstand vom Wasser halten sollen. Zudem sollte man nie den Rücken zum Wasser hinkehren. Und hier leben nicht wenige. Wohin der Blick auch schweift… Im Fluss wimmelt es von Krokodilen! Gegen Abend treffen wir zudem auf ein weiteres wildes Tier. Wir beobachten unseren ersten Dingo, wie er sich gemütlich durch den Campingplatz schleicht. Irgendwie beunruhigend, laufen wir doch abends oftmals alleine zum Badezimmer. Die Tierwelt in Australien ist schlichtweg beeindruckend.   


Aboriginal People - früher und heute

Wie bereits im vorherigen Blog erwähnt, wurde es spätestens in den 1920er Jahren kritisch für die Aborigines. In Australien befürchtete man, dass die Ureinwohner vom Aussterben bedroht sind. Viele der Ureinwohner starben durch von „Weissen“ Siedlern eingeschleppte Krankheiten (u.a. Cholera, Grippe) und viele wurden ohne gerichtliche Verhandlung hingerichtet. Wir wollten jedoch verstehen, wieso in Darwin Aborigines in Parks herumsitzen. Viele von ihnen mit ausdruckslosen, traurigen Gesichtszügen. Einige treffen wir vormittags bereits mit einem Bier in der Hand an.

Um den Hintergrund der heutigen Situation der Aborigines verstehen zu können, müssen wir uns kurz mit ihrer Geschichte auseinander setzen. Erstens, es gibt nicht „die“ Aborigines. Die Ureinwohner im heissen, tropischen Norden Australiens unterscheiden sich stark von denen in der Wüste und denen im kühleren Süden. Die Kultur und Bräuche unterscheiden sich massgeblich. Bis zu 300 verschiedene Sprachen sind wissenschaftlich erfasst worden. Allen gemeinsam ist die Basis ihres Weltbilds und der Entstehungsgeschichte. So wurden das Land, die Sprache und die Menschen von Schöpfungswesen geschaffen. Diese Urwesen trauten den Menschen das Land an. All dies geschah in der sogenannten Traumzeit. Die Traumzeit selber stellen wir uns am besten als eine Art Parallelwelt vor. Sie ist Vergangenheit, jedoch gleichzeitig den Ureinwohnern auch allgegenwärtig. Alles, was in der Welt existiert, ist ein Teil der Traumzeit.

Wenn man sich mit dem Thema ein wenig länger auseinandersetzt merkt man, dass es ziemlich komplex wird. Interessant sind auch die Regeln des sozialen Zusammenlebens. Denn das Recht und die Gesetze jedes einzelnen Stamms gehen immer auf ihre Schöpfungsfiguren zurück. Das Moralsystem und auch das Verwandtschaftssystem sind Teil der Traumzeit. All diese Regeln, Geschichten und Zeremonien sind für jedes Gebiet und folglich für jeden Stamm spezifisch.

Die Aborigines kennen keinen Besitz. Sie sehen sich als integrierter Bestandteil der Natur. Praktisch alles wird geteilt. Ein Clan hat die Aufgabe, nach dem Land zu sehen. Ihm Sorge zu tragen. Jeder Aborigine wird einem Gruppen-Totem (Tier, Ort, Pflanze) und einer Moiety (Hälfte) zugeordnet.  Dies hat Auswirkungen auf das soziale Zusammenleben und die Rituale. Jeder Aborigine lernt, in welchen Bereichen und welche Tiere er jagen darf. Er lernt, mit welchen Jagdutensilien er jagen darf. Und er lernt, was er überhaupt essen darf. Dazu nimmt ihn ein Verwandter derselben „Kategorie“ auf die Jagd mit. Er lernt, welche Pfade seine Vorfahren benutzt haben. Wie die Natur sich verhält und wo sich Gefahren bergen. Man darf der Natur nur so viel entnehmen, wie man effektiv benötigt. Jeder Aborigine weiss aufgrund seiner Zuteilung in Gruppen-Totem und Moiety auch, wen er heiraten darf und wen nicht.

Die Älteren des Stamms erzählen jahrtausend-alte Geschichten der Traumzeit. So wird das traditionelle Wissen weitergegeben. Es gibt keine Bücher, alles wurde und wird mündlich übermittelt. Die wenigen Felsmalereien in Australien sind die Ausnahme. Es gibt nur noch einzelne, die über das Wissen der Felsmalerei verfügen. Und auch dazu muss ein Aborigine bestimmt werden.

Unsere Reiseführerin erklärt uns, dass die Aboriginal People uns gerne von ihren Bräuchen und Geschichten erzählen. Aber, sie geben nicht alles weiter. Sie erzählen uns nur so viel, wie wir benötigen um ihre Denkweise zu verstehen. Und um zu verstehen, weshalb ihnen die Natur und das Land so wichtig sind. Wenn wir also die Felsmalereien im Kakadu National Park besuchen, sehen wir nur ein Bruchteil der Malereien und werden nur ein kleiner Teil der Traumzeit-Geschichten hören.

Und wie sieht es heute aus? Was ab dem Eintreffen der britischen Siedler im 18. Jahrhundert geschah, habe ich bereit im vorherigen Blog kurz geschildert. Ohne Rücksichtnahme auf ihre Geschichte, ihre Clan Zugehörigkeit und Traditionen wurden die Ureinwohner von ihren Siedlungsgebieten vertrieben. Das britische und australische Recht betrachtete Australien bis 1992 als „terra nullius“. Also als unbewohntes Land, welches daher rechtmässig übernommen werden konnte. Zusätzlich erschwerend hinzukommt, dass eine Generation von Aborigines von den Weissen aufgezogen wurde. Die Entwurzelung hat drastische Folgen. Ein grosser Teil der Geschichten und Traditionen gingen verloren. Das Arnhem Land zählt zu einem der wenigen Gebiete, wo Aboriginal People heute noch traditionell leben.

Die meisten Aborigines leben heute einen Kompromiss zwischen westlichem und traditionellem Lebensstil. Da sich ihr Verständnis von der Welt grundsätzlich von unserem unterscheidet, fühlen sich aber weiterhin viele Aborigines geistig entwurzelt. Kommen mit dem Leben nicht klar und sehen keine Perspektiven. Aus Sicht der Ureinwohner ist ihre Welt gefährdet und existiert bald nicht mehr. Wie Adrian Burragubba 2015 sagt: „Wenn wir diese Bindung an das Land verlieren, wird nichts mehr übrig sein. Wir werden ausgelöscht sein. Wir existieren als Volk durch unser angestammtes Land. Das ist alles, was wir sind.“ Die Folge: Viele flüchten in die Drogen, besaufen sich und leiden unter Depressionen. Mitunter ein Grund, weshalb ihr Ruf „faul und unnütz zu sein“ entstand. Die soziale Situation der Ureinwohner ist zudem wesentlich schlechter als die der Weissen. Die Selbstmord- und Kriminalitätsrate ist höher. Weiterhin ist der durchschnittliche Bildungsgrad tiefer, dementsprechend auch die Armut grösser. Wer mehr darüber erfahren will, dem empfehle ich die Lektüre des Overcoming Indigenous Disadvantage Report 2016.  (https://www.pc.gov.au/research/ongoing/overcoming-indigenous-disadvantage).

Immerhin hat sich die australische Regierung 2008 offiziell für das Leid entschuldigt. Und die Regierung bemüht sich verstärkt, die Aborigines in die Gesellschaft zu integrieren. Gesetzlich ist unter anderem festgehalten, dass Aboriginal People an Universitäten keine Studiengebühren bezahlen müssen. Die weltweit geschätzte Kunst der Aborigines, sowie Didgeridoo- und Bumerang Hersteller konnten sich auf dem Markt etablieren. Schliesslich hilft auch der Tourismus den Aboriginal People, Fuss in der Gesellschaft zu fassen. Unter anderem mit Tourismusprojekten unter Führung von Aborigines, zum Beispiel im Kakadu National Park oder auf den Tiwi Islands. Mit Aboriginal Cultur Center bei heiligen Stätten wie dem Uluru, werden die Touristen über die Geschichte und Traditionen der Aborigines aufgeklärt. Man bemüht sich zudem, die noch bekannten Traditionen durch Videos festzuhalten und gut möglichst zu dokumentieren. Wenn man durch die Strassen von Darwin, Cairns und Alice Springs spaziert merkt man, dass sich die Regierung bemüht, die Aborigines in die Gesellschaft zu integrieren. So hat es zumindest gegen aussen den Anschein. Immer wieder läuft man an Aboriginal Kunstgalerien vorbei und diese traditionellen Malereien fliessen auch in die Stadtgestaltung mit ein. Unser persönliches Highlight war das Melbourne Museum. Wer sich also momentan in Melbourne befindet oder einen Besuch der Stadt plant, dem empfehlen wir dieses Museum gerne weiter. Das Museum beinhaltet das Bunjilaka Aboriginal Cultural Centre. Dieses ist sehr modern gestaltet und hat uns begeistert.


Mit diesem Wissen nun im Hinterkopf, war für uns der Besuch des Kakadu National Parks noch eindrücklicher. Es war einfach ein tolles Erlebnis. Wir werden diesen tollen, friedlichen und auch spirituellen Ort nie vergessen.